Sonntag, 13. Juli 2014

Diese dummen, dummen Menschen

So lange diese WM noch nicht ganz vorbei ist, kann ich ja nochmal so richtig vom Leder lassen über alles, was mich in den letzten Wochen aufgeregt hat. Die Überschrift ist übrigens ein Zitat von einer lieben Kollegin, das im Arbeitsalltag immer mal wieder Anwendung findet, etwa, wenn Vertreter anderer Abteilungen auch beim drölfzigsten Mal noch die selben Fehler machen und man sie dann wieder darauf hinweisen muss. Aber so ist es nunmal: Wir leben alle in unseren Blasen und auf unseren Tellern und kennen uns da super aus, haben aber wenig Einsicht darüber, welche Wellen unsere Taten über dem Tellerrand so schlagen. Also, vollstes Verständnis für diese typischen Arbeitssituationen!

Kein Verständnis hingegen für die Welle des dummdreisten Nationalismus, der seit Wochen überall herrscht. Ich habe ja überhaupt nix dagegen, dass man sich freut, wenn die deutsche Elf guten Fußball spielt und damit auch noch erfolgreich ist. Aber muss man deswegen so eine militaristische Rhetorik, gewaltverherrlichende Bilder und Symboliken aus den dunkelsten Kapiteln der Menschheitsgeschichte wieder hervorholen? Nein, muss man nicht, das war eine rhetorische Frage.

Ebenso unverständlich finde ich es, wenn diese angeblichen "Fußballfans" ganz schnell die schweren Geschütze auffahren, sobald man mal eine andere Mannschaft als die deutsche gut findet. Das war wirklich auffällig: Als ich am Tag des Halbfinales zwischen den Niederlanden und Argentinien im Oranje-Trikot unterwegs war, erlebte ich alles von abschätzigen Blicken, eingefrorenem Lächeln, interessiertem oder kritischen Nachfragen bis hin zu indirekten Drohungen. Da wurde mein Freund gefragt, warum er mich so aus dem Haus gehen lässt (Das öffnet ja auch nochmal ne ganz andere Schublade an *istischer Kackscheisse). Es wurde vorgeschlagen, das Trikot zu verbrennen, falls die Niederländer Weltmeister würden. Es wurde über mich gesagt, ich würde Hochverrat begehen. Ich meine, gehts noch? Es ist Fußball. Ein Spiel. Und angeblich geht es Euch doch um den Sport und nicht um Nationalismus? Die ganzen Fahnen schwenkt Ihr doch nur aus purem Fandom und nicht etwa, weil ihr so endlich mal wieder Herrenmenschen spielen könnt, oder?

Interessant zu beobachten war übrigens, dass einige Kollegen, die ich auch im Nicht-WM-Alltag als Fußballkenner erlebe, den ganzen Blödsinn nicht mitmachen. Da wird vielleicht mal im Spaß ein Spruch gemacht, dann aber auch gleich relativiert und über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Mannschaften geredet. Als echter Fußballfan ist man schon auch mal für Argentinien oder die Niederlande, evtl. sogar Italien, wenn einem die deutsche Mannschaft nicht stark genug ist (oder der Trainer immer die Falschen aufstellt). Diese Leute sind wahrscheinlich auch ganz froh, wenn der ganze WM-Trubel vorbei ist und der "echte", der Vereinsfußball, wieder das Geschehen bestimmt.

In dieser Welt ist man über plumpen Nationalismus dann auch einfach schon weit hinaus. So wie viele in meinem Umfeld von einer Welt ohne Nationalstaaten träumen, so dass so eine WM irgendwie auch ein Anachronismus ist - auch wenn es Spaß macht zuzusehen, aber für mich könnten dort eben auch einfach die Lilanen gegen die Gelben spielen, der Effekt wäre der Gleiche und die fantasievolle Kostümierung der Fans wahrscheinlich ebenso spannend.

Die gleichen Leute übrigens, die sich brachialer und martialischer Rhetorik bedienen und für die heute Abend die Welt unterginge, wenn Argentinien gewinnt, die zeigen diese Einstellung noch auf eine ganz andere hässliche Weise. Als ich diese Woche die Meldung über den von Asylbewerbern besetzten Fernsehturm auf Facebook postete, erbrachen sie ihre Meinung zu dieser relativ harmlosen, aber effektive Form des Zivilen Ungehorsams in meine Timeline. Was sich diese Leute erlauben würden und sie sollten doch bitte vom Turm springen, damit die armen armen Menschen, die wegen ihnen nicht raufkönnten, Genugtuung bekämen. Überhaupt sollten sie einfach mal die Fresse halten und abwarten und nicht aufmucken, wenn sie schon in diesem Land sein wollen. Und sie würden doch für nachfolgende Bewerber, die es "ehrlich meinen" (HÄ?) alles nur schwerer machen. Da kotzte ich dann beinahe auch.

Nicht erst seit diesem Tag frage ich mich, ob man ehemalige Klassenkameraden, entfernte Verwandte und aktuelle Kollegen einfach entfreunden sollte. Oder ist das dann wieder irgendwie intolerant, die Augen vor der Realität verschließend oder feige, weil man eben nicht versucht, diese dummen, dummen Menschen zu überzeugen?

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